Unglück am Bahnübergang, Geburt im Rettungswagen und Reanimation von Kindern:
Am Wochenende fand der vierte Bad Salzunger Notfalltag statt. Er soll die Zusammenarbeit der Notärzte, Rettungsdienste und Feuerwehrkameraden schulen.
Von Susann Eberlein
Bad Salzungen – Aus dem Rettungswagen sind laute Schreie zu hören. „Wir müssen stehen bleiben. Das Baby kommt“, ruft die aufgeregte Mutter. Der Kindskopf ist schon zu sehen, in das Klinikum schafft es der Rettungsdienst jetzt nicht mehr. Der Wagen muss stoppen, und die Sanitäter helfen, das Kind auf die Welt zu bringen. Die Szene ist gespielt, Hebamme Sybille Fleck mimt die nervöse Schwangere. Die schnelle Geburt im Rettungswagen war ein Teil des vierten Bad Salzunger Notfalltags, der am Freitag und Samstag in den Räumlichkeiten der Freiwilligen Feuerwehr Bad Salzungen stattfand.
Die Fortbildung wurde von Roland Schneider, leitender Notarzt und ärztlicher Leiter des Rettungsdiensts im Bad Salzunger Klinikum, organisiert. Notärzte aus dem gesamten Wartburgkreis, Rettungsdienste des Deutschen Roten Kreuzes und des ASB Eisenach sowie Kameraden der Freiwilligen Feuerwehr Bad Salzungen, Tiefenort, Ober- und Unterrohn hatten die Möglichkeit, sich außerhalb des Dienstes kennenzulernen und das reibungslose Zusammenspiel zu üben. „Denn an der Einsatzstelle ist es wichtig, dass wir uns aufeinander verlassen können“, betonte Roland Schneider.
In der Praxis kommt eine Geburt im Rettungswagen sehr selten vor. „In der Regel wird die Frau noch im schwangeren Zustand eingeliefert. Oder es geht wirklich so schnell, dass das Baby schon da ist, wenn wir kommen“, sagte Ines Tonndorf, Oberärztin der Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe. Sie schulte den Rettungsdienst für natürliche und unkomplizierte Geburten. „Wenn die Frau Wehen hat, ist der Transport ins Klinikum noch möglich, nicht aber, wenn sie Presswehen hat und der Kopf des Kindes schon sichtbar ist“, sagte sie. Ines Tonndorf ging es um die einfachen Schritte, nicht etwa um das Ertasten des Muttermunds und das Gebären der Plazenta.
Notärztin Annamaria Kovacs hat in zweieinhalb Jahren, in denen sie als Notärztin tätig ist, noch keine Geburt im Rettungswagen erlebt. Roland Schneider musste in 30 Arbeitsjahren nur wenigen Babys unterwegs auf die Welt helfen. „Vielleicht sechs oder sieben. Da habe ich immer noch feuchte Hände“, gab er zu. Gerade weil die Situation so selten sei, sei es umso wichtiger, sie regelmäßig zu trainieren. Auch Ines Tonndorf war es wichtig, dem Rettungsteam die Angst vor einer möglichen Geburt zu nehmen. „Sie sollen nicht kopflos sein, sondern Ruhe ausstrahlen. Die Gebärende und der Mann sind schon aufgeregt genug und müssen beruhigt werden“, sagte sie.
Die Station war eine von dreien, die am Samstagnachmittag angeboten wurden. In einem Planspiel simulierten die Einsatzkräfte einen Unfall an einem unbeschrankten Bahnübergang, bei dem etliche Menschen verletzt wurden. „Wir besprechen, wie die Rettungskette funktionieren sollte, wann die Einsatzkräfte ankommen und wann welche nachgefordert werden sollten“, sagte Roland Schneider, der das Planspiel zusammen mit Eva Zeher, Oberärztin in der Klinik für Anästhesie und Intensivmedizin, betreute. Ronald Matthies und Jeanette Knöchelmann, ebenfalls Oberärzte in der Klinik für Anästhesie und Intensivmedizin, schulten die Teilnehmer des Notfalltags indes in der Kinderreanimation und der Atemwegssicherung. „Ein Kreislaufstillstand hat bei Kindern meist andere Ursachen als bei Erwachsenen.
Bei ihnen tritt er durch Ertrinken oder Ersticken auf“, erklärt Ronald Matthies. Während er den Profis besondere Abläufe in der Kinderreanimation zeigte, sei es für Laien wichtig, überhaupt aktiv zu werden und die in einem Erste-Hilfe-Kurs gelernten Maßnahmen einzuleiten. „Ich stelle jedoch häufig fest, dass gar nichts gemacht wird“, bedauerte er. Dabei seien unverzüglich eingeleitete Wiederbelebungsmaßnahmen nicht nur lebensrettend, sondern auch entscheidend für den zukünftigen Gesundheitszustand des Überlebenden. „Das Gehirn reagiert sehr empfindlich auf Sauerstoffmangel. Schon nach drei oder vier Minuten können Schäden auftreten, die irreversibel sind“, erklärte er.
Der Notfalltag existiert seit 2015 und widmet sich stets einem speziellen Thema. Während in den vergangenen Jahren Höhenrettung oder Katastrophenschutz auf dem Programm stand, lag der Fokus in diesem Jahr, neben den drei Workshops, auf der Rettung nach Bahnunfällen. Einer theoretischen Einführung am Freitag durch Martina Mußbach, Notfallmanagerin der Deutschen Bahn, folgten am Samstagvormittag praktische Übungen auf dem Bahnhofsgelände in Bad Salzungen. Dabei wurden der Rettungssatz Bahn der FFW Bad Salzungen vorgeführt, Rettungsmöglichkeiten im Gleisbereich aufgezeigt und der Meldeweg der Deutschen Bahn simuliert. „Die meisten Bahnunfälle, die wir in der Region erleben, gehen auf Suizide, Kollisionen mit Fahrzeugen, die Signale an Bahnübergängen übersehen, oder Naturkatastrophen wie Bäume auf den Schienen oder Unterspülungen zurück“, sagte Roland Schneider. Unfälle, die auf menschliches Versagen zurückgehen, seien dagegen selten. Daneben waren auch Drogenkonsum und die Konsequenzen Teil des Notfalltags. Fritz Schopf, der Polizeidirektor an der FH in Meiningen, hielt einen Vortrag über Drogen als die große Unbekannte im Notarztdienst. „Das ist ein großes Thema. Oft wissen wir nicht mehr, welche synthetischen Drogen auf dem Markt sind und welche schweren Folgen sie haben“, sagte Roland Schneider. Um Notfalleinsätze zu vermeiden, riet er zu einer guten Drogenprävention, sowohl im Elternhaus als auch in den Schulen.
Quelle: insuedthueringen.de | Alle auf den Fotos abgebildeten Personen haben nach DSGVO einer Veröffentlichung zugestimmt!